Das Projekt Spielfeldschnitte

Pünktlich zur Fußball Europameisterschaft der Männer 2008 konnte man in Filialen einer großen deutschen Bäckereikette ein Kuchenstück erwerben, das sich als Alternative zu Bier in Plastikbechern verstand: ein Sahnetörtchen namens Spielfeldschnitte. Das Projekt Spielfeldschnitte nahm diese Beleidigung, diese Herausforderung und diesen Namen an. Seitdem verstehen wir uns als kreative und humorvolle Begleitung der deutschen Fußballnationalmannschaft und als längst fälligen Beitrag zu einer Frauenfußball-Kultur. Wir bieten nicht nur messerscharfe Analysen zu allen Länderspielen, wir sind die kulturwissenschaftliche Stimme in der Stille des Blätterwaldes, wir sind das Theater, das um den Frauenfußball aufzuführen ist, wir wollen die Welt verändern und schreiben darüber. „My (B)Log has something to tell you.“
(The Log Lady, Twin Peaks)

Freitag, 5. April 2013

Coaching Zone: Deutschland - USA

Statistiken sind toll, man kann locker ein paar Zeilen damit auffüllen. Seit fast zehn Jahren hat das deutsche Team nicht mehr gegen die USA gewinnen können. Also 3.496 Tage. Insgesamt 31 Begegnungen, 5 Siege, 6 Unentschieden und 20 Niederlagen. Super, diese Infos, aber letztendlich sind Statistiken ungefähr so wie WC-Reiniger: Man braucht sie anscheinend, aber sie nerven auch. Denn letztendlich mischen sich bei jedem Spiel die Karten neu und "wichtig ist aufm Platz". Fußball ist ja kein Rechenspiel und Platitüden sind dann eben doch nur Zeilenfüller. Oder?

Das zur Zeit sehr gut aufgestellte Team der USA ist ein passender Gegenpart in der Vorbereitung auf die Europameisterschaft 2013. Das deutsche Team steht trotz Titelverteidigung eher am unteren Rand der Favoritinnen und die Herausforderungen in den Testspielen werden allen ihre Grenzen bewusst machen. Um dann hoffentlich während des Turniers damit gut umgehen zu können.

Die Aufstellung scheint ebenso Turnierreif: Angerer - Maier, Wensing, Bartusiak, Peter - Keßler, Kulig - Bresonik, Maroszan, Behringer - da Mbabi. Eine ernst zu nehmende Perspektive im Positionenroulette à la Neid? Leonie Maier hatte sich schon beim Algarve Cup hervorgetan, Almuth Schult hat ex negativo die Torhüterinnenposition entschieden und Celia da Mbabi ist und bleibt die Garantin für offensive Spritzigkeit. Bianca Schmidt scheint mittlerweile endgültig durch die Blume abgesägt.

Das Spiel beginnt auf hohem Niveau, man merkt schnell, dass sich zwei Topteams gegenüberstehen. Beim deutschen Team läuft viel über die rechte Seite, Maier drängt auf Tempo nach vorne und Bresonik schafft es fast immer, diese Vorstöße weiter zu tragen. Aber natürlich geht es in der Anfangsphase vor allem um die Räume im Mittelfeld. Beide Teams versuchen: Platz zu haben und wenig Platz zu lassen. Was am Ende heißt: wenig Platz für alle. Lange Pässe über die Außenseite und die folgende Flanke ist bislang das Mittel des Neidschen Teams - und bislang mangelt es nur an der Zielgenauigkeit. Über die Außenseiten und dann mit dem Zug nach Innen kurz vor dem Strafraum plus Abschluss ist bislang das Mittel des Sermannischen Teams - und bislang stand Nadine Angerer noch im Wege. Eine ausgeglichene und gut anzusehene Partie in der ersten Halbzeit. Wenn das deutsche Team es jetzt noch schafft im Mittelfeld die Überhand zu gewinnen und die Flanken genauer in den Strafraum zu bringen, dann dürfte es bald doch auch ein Tor geben.

Verena Faißt kommt zur zweiten Halbzeit für Melanie Behringer, die im Gespann mit Babett Peter nicht viel auf der linken Seite ausrichten konnte. Knapp 90 Sekunden sind gespielt und Faißt wird gleich zu einer der maßgeblichen Protagonistinnen: lässt sich an der Torlinie tunneln, die Flanke kommt ungehindert in den Strafraum und Abby "the head" Wambach tut das, was sie am besten kann. Sie köpft ein. 0 zu 1. Das sind genau die Räume, die man einem Top-Team wie den USA nicht freigeben darf, denn sie werden gnadenlos genutzt. Aber vielleicht war das auch der richtige Aufrüttler gegen weiteres vorsichtiges Abtasten und der Impuls für mehr Mut in der Offensive. Gleich gibt es auch drei Szenen hintereinander vor dem Tor der Amerikanerinnen. Doch auch Hektik und Fehlpässe häufen sich - in der 54. Minute, kurz nach einem unnötigen Ballverlust, kommt der Ball auf die linke Seite und Megan "the hair" Rapinoe tut das, was sie am besten kann. Sie schießt ein. 0 zu 2.

Sofort ein weiterer Wechsel, Bianca Schmidt kommt für die schwache Babett Peter, Anja Mittag für Linda Bresonik. Doch Ruhe im Spiel bleibt aus, weiter Hektik beim Spielaufbau, Fehlpässe, das ganze Programm. Das Tempo nach vorne ist raus. In der 62. Minute gibt es doch eine Szene im Strafraum, die die Spieldynamik wiederspiegelt: Irgendwie kommt Bianca Schmidt durch, spielt den Ball Richtung Elfmeterpunkt und Kim Kulig, von der sonst noch nicht viel zu sehen war, stochert ihn über die Linie zum Anschlusstreffer. Ein ungewöhnlicher Aussetzer der amerikanischen Defensive. Gibt der Treffer etwas Gleichgewicht zurück? Der nächste Angriff geht an die USA und führt fast zum 1-3, hätte da die Linienrichterin nicht noch etwas über dubiose (wohlgemerkt passive) Abseitspositionen zu sagen. Das Spiel ist jetzt spannender, es gibt mehr gefährliche Strafraumsituationen, weil beide Teams ihre Abwehr etwas auf machen und Räume freigeben. Turniergeschmack! Und was wäre ein echtes Turniergefühl ohne den berühmt berüchtigten "Bartusiak" - Saskia gleichen Nachnamens mit dem völlig unnötigen Abpraller in der 70. Minute, Wensing kommt nicht mehr an die schnelle Flanke ran und Alex Morgan schlenzt den Ball über Nadine Angerer ins Tor. Also doch 1 zu 3, verdient.

In der 84. Minute darf Celia da Mbabi immerhin über den Strafstoß zum 2-3 ihre Torgefährlichkeit zeigen. Zwei Minuten später gibt es sogar noch der Ausgleich durch Anja Mittag nach einer Fehlerstafette der Amerikanerinnen. Alles in allem spannend, vielleicht ein nicht ganz verdientes Unentschieden. Aber vor allem gibt es noch viel zu tun, die Spielerinnen sind da, Struktur und System noch nicht. Es braucht eine sicherere und eingespieltere Viererkette, mehr Selbstvertrauen im Spielaufbau, mehr Sicherheit bei Ballbesitz. Und wo war eigentlich insgesamt das Offensivduo da Mbabi und Maroszan? So richtig überzeugt sind wir immer noch nicht von dieser Kombination. Ja, da Mbabi ist schnell und ja, Maroszan ist eine tolle Technikerin. Aber zusammen haben sie bisher noch wenig Offensiv-Power dargeboten. Und es ist vielleicht vermessen es zu fragen, aber könnte es sogar sein, dass sich beide etwas im Weg stehen? Die Knipserin braucht die richtige Vorbereiterin, die Vorbereiterin die richtige Knipserin. Lingor und Prinz waren so ein Duo. Da Mbabi und Maroszan haben da noch einiges zu zeigen.



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